eigene Texte
Gedanken zu meiner künstlerischen Arbeit und zu meiner Arbeit im Atelier
Meine Arbeit im Pädagogischen fußt immer auf meinen eigenen Erfahrungen mit zeichnerischen und malerischen Prozessen. Meine Arbeit ist praxisbezogen und gedankliche Prozesse sind ohne das Eingreifen in die Materie zwar möglich, entwickeln sich aber letztendlich erst wirklich in der Umsetzung im Material.
Verschiedene Ansätze des Arbeitens praktiziere ich selbst:
Blick nach Außen in der reinen Wahrnehmung.
Diese Arbeit setzt einen äußeren Gegenstand des Betrachtens (Landschaft, Modell, Foto etc.) voraus. Habe ich z.B. einen Menschen vor mir, tauche ich zeichnend in den Wahrnehmungsprozess ein. Der Körper löst sich auf in Licht und Schatten, Linien und Flächen. Der Blick geht viel zum Modell und wenig aufs Blatt. Die Energie fließt direkt vom Auge in die Hand und streift kaum das Gehirn. In Arbeitspausen nehme ich Abstand und betrachte dann erst, was entstanden ist. Durch diese Art der Betrachtung und der Umsetzung schult man den unverstellten Blick. Das Gesehene löst sich von seinem Namen. Alte Schemata verlieren an Bedeutung. Verunsicherung tritt auf, man verliert an Boden und begibt sich ins Niemandsland. Aber nur so kann sich grundlegend Neues öffnen. Der Blick auf die Dinge verändert sich. Noch nie hat man etwas so angesehen und das Spannende daran ist, dass dieser Prozess jedes mal von Neuem stattfindet. Diese Art der Beobachtung überträgt sich auch auf anderes.
Blick nach innen.
Eine starke Emotion kann auch Motor sein für ein Eingreifen in die Materie. Dieser Prozess setzt eine starke innere Wahrnehmung voraus. Eine problematische Beziehung, Konflikte mit Eltern, Freunden, Einsamkeit und warum nicht ein Glücksgefühl! werden zunächst vertieft und dann im Arbeitsprozess umgesetzt. Diese Art des Arbeitens setzt voraus, dass ich Gefühle zulassen kann, sie soar verstärke, denn nur eine innere Dichte kann zu starkem Ausdruck führen.
Themenbezogenes Arbeiten:
Ich fange an, Material zu sammeln, mache Notizen, auch zeichnerisch. Das Thema wächst durch das Tun. Ich arbeite nicht rational wissenschaftlich, sondern es entwickelt sich rein empirisch, aus der Intuition heraus. Neue Zusammenhänge entstehen und keiner kann voraussagen, wo das hinführt – ein spannender Prozess! Dabei ist es immer wichtig, auf viele verschiedene Techniken zurückgreifen zu können. Oft gehe ich mit den einzelnen Techniken sehr spielerisch um. Die Möglichkeiten des Mediums erschließen sich aus dem Experiment. Rein aus der Neugierde heraus entwickelt sich Farbe und Struktur auf dem
Untergrund. Alles kann Teil des Prozesses werden. Dabei ergeben sich immer wieder neue Möglichkeiten. Nach einem Stil muss man nicht suchen. Malerei und Zeichnung sind die freiesten aller Berufe und das sollte man mit Vehemenz und angstfrei auskosten. Steht einem die Lust nach fotorealistischer Gegenständlichkeit, will man einen Apfel so auf dem Blatt sehen, dass man Lust hat hineinzubeißen, so sollte man dem nachgeben! Will man dann einmal einen Kübel Farbe auf die Leinwand kippen und sehen wie Rot und Schwarz miteinander kämpfen – nur los! Mit der Zeit bilden sich Vorlieben für bestimmte Techniken heraus und die Handschrift prägt sich immer mehr aus. Das kommt von alleine. Aber auch dann sollte man sich für Wechsel offen halten. Malen ist Leben und es gibt immer wieder Überraschungen. Wichtig erscheint mit allerdings, dass der Künstler, egal was er tut und in welchem Medium er arbeitet, sich selbst gegenüber ehrlich ist, immer ganz in dem ist, was er macht. Er muss sein Bewusstsein schulen und wach werden für sich und die Welt. Er muss begreifen, dass das ein unbequemer Weg ist voll Höhen und Tiefen und dass er ihn letztendlich selbst gehen muss. Er muss auf der einen Seite sehr sensibel werden und dann auch wieder sehr stark, denn er muss der Handelnde sein, in die Materie eingreifen und sie verändern.
Sibylle Bross