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Die Malerin Sibylle Bross – Von Landrat Horst Lässing

Die Waiblinger Malerin Sibylle Bross hat das Schwabenalter erreicht; die 1959 Geborene sieht aber viel jünger aus. Sie ist lebhaft, locker, humorvoll, kommunikativ, geht auf Menschen zu, lacht herzhaft. Mit ihren 158 Zentimetern und weniger als 50 Kilogramm steckt sie voller Energie und Vitalität. Sie ist eine Powerfrau.

Schon im Kindergartenalter hat sie gerne gemalt. Menschen sind von Anfang an ihr Thema gewesen. Sie hatte ständig das Bedürfnis, Menschen auf irgendwelchen Papierbögen und Zettelchen zu zeichnen. Natürlich wird man von der Kunst geprägt, wenn man in der Großfamilie Nuss aufwächst. Sie wohnte damals unmittelbar in der Nachbarschaft des Großvaters Fritz Nuss.

Schon zur Schulzeit war ihr Onkel Karl-Ulrich Nuss ihr Lehrer für Aktzeichnen auf der Fachschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd. Schon im Kindergartenalter hat sie gerne gemalt. Menschen sind von Anfang an ihr Thema gewesen. Sie hatte ständig das Bedürfnis, Menschen auf irgendwelchen Papierbögen und Zettelchen zu zeichnen. Natürlich wird man von der Kunst geprägt, wenn man in der Großfamilie Nuss aufwächst. Sie wohnte damals unmittelbar in der Nachbarschaft des Großvaters Fritz Nuss. Schon zur Schulzeit war ihr Onkel Karl-Ulrich Nuss ihr Lehrer für Aktzeichnen auf der Fachschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd. Doch schon im Alter von fünf Jahren meinte sie zu ihrem Opa: „Ich kann besser malen – du kannst besser Figuren machen.“ Sie war aufgeweckt, selbstbewusst, und eigentlich sprach vieles dafür, dass sie Künstlerin werden sollte. In der Schule wurden ihre Bilder im Unterricht immer wieder gelobt und hervorgehoben. Sie waren für die Lehrkräfte Anlass zu Besprechungen.

Sibylle Bross wuchs in einer schwäbischen Umgebung auf, und da geht es immer wieder um das bedächtige Abwägen, das Realistische, das Bodenständige. Deshalb gab es immer wieder die Empfehlungen, man müsse doch erst etwas Konkretes lernen. Bei einem Spanien-Urlaub meinte ein Bekannter eher zufällig zu ihr, sie solle doch den Kindern zeigen, wie man male. Daraus wurde so etwas wie ein kunsttherapeutischer Ansatz, vielleicht auch eine Überlegung für den Beruf. Doch sie beschloss dann, zunächst Goldschmiedin zu werden, und ging zur Ausbildung in die Goldschmiedeschule Hanau.

im Jahr 1981

1981 war sie bei einer Freundin in Paris. Hier fühlte sie sich wohl und frei, auch abgenabelt von den Einflüssen, die früher auf sie eindrangen in Strümpfelbach oder Manolzweiler, vor allem auch von der Familie. Da schnupperte sie einige Monate in der Ecole des Beaux Arts. Das machte ihr Spaß, da spürte sie ihre Berufung, und so bewarb sie sich sowohl bei der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart als auch bei der Ecole des Beaux Arts in Paris. Da man sie in Paris schneller aufnahm als in Stuttgart, begann sie auch dort ihr Studium. Eigentlich konnte sie fortsetzen, was sie begonnen hatte. Denn in den Monaten zuvor, in denen sie dort zeichnete, war gar nicht aufgefallen, dass sie gar keine eingeschriebene Studentin war.

Natürlich hat der Opa Fritz Nuss sie in besonderer Weise geprägt, obwohl dieser sie als Künstlerin zunächst so gar nicht richtig wahrgenommen hat. Erst als sie 1995 ein Portrait von ihm fertigte, ging ihm wohl ein Licht auf. Es gefiel ihm.

Es schmeichelte ihm, von der En-keltochter so gesehen zu werden. In seinen letzten Lebensjahren hat sie ihn immer wieder auch gepflegt. Dann war man viele Stunden beieinander, und was der Opa ihr sagte, hat sie schon intensiv beschäftigt. Fritz Nuss machte sich Gedanken über alles und philosophierte „so wie ein Hirte, umgeben von seinen Schafen auf der Weide“. Häufig waren es Monologe. Er gab eben die Quintessenz dessen weiter, was er dachte, komprimiert „so wie ein Mönch nach seiner Meditation“. Dass der Opa seinen Weg stets unbeirrt gegangen ist, hat sie beeindruckt.

im Jahr 1983

Was ihr wichtig ist, veränderte sich natürlich im Laufe ihres Lebens. Am 11. Oktober 1983 schrieb sie in Paris in ihrem Tagebuch: „Ich habe kein Bedürfnis mehr nach Tanz, Musik, Alkohol, Essen – Menschen, alles andere ist Nebensache.“ Und jetzt sagt sie: „Seit über einem Jahr ist es für mich besonders wichtig, Vitalität und Lebensfreude auszudrücken, vor allem von der Bewegung her, vom Duktus. Meine Bilder sind zwar vom Inhalt her schwer – aber sonst leicht – es muss aber Power drin sein.“ Aber im Schwäbischen, vielleicht auch generell im Deutschen, nimmt man bekanntlich das Leichte eher übel.

Erst vor kurzem hat der Regisseur Leander Haußmann das Hamburger Thalia verlassen, weil die Kritiker zu häufig von seinem „Spaßtheater“ geschrieben haben. Er selbst meinte: „Ich sehe meine Aufgabe als Regisseur darin, die Leute zu unterhalten und die Schauspieler zu verführen, Dinge lustvoll von sich zu geben.“

Doch die Kritik mag das nicht. In Deutschland suggeriert Leichtigkeit allzu schnell Bedeutungslosigkeit. Man hält es eher mit Hegel, der gefolgert hat, „dass, wenn wir in den Künsten Vergnügen suchen und finden, wir nicht gleichzeitig Wahrheit erlangen können“. Dagegen meint Gotthold Ephraim Lessing: „Es ist Aufgabe der Kunst, Vergnügen zu bereiten.“ Von einem solchen Spannungsfeld bleibt sie als Künstlerin nicht verschont. Früher war ihr Motor, eher etwas Kontemplatives zu schaffen. Aber jetzt, meint sie, hat es sich verlagert.

Ihr Oeuvre ist breit angelegt, jedes Bild aus einer anderen Stimmung entstanden. Häufig malt sie Serien, wenn sie etwas in besonderer Weise beschäftigt. Etwa Menschen, die in Gängen oder Vorräumen auf irgendetwas warten, vielleicht auf einen Bescheid des Amtes, oder im Sprechzimmer. Oder es sind Urlaubserlebnisse wie das Trekking im Himalaya im Jahr 2000. Dann nehmen Erlebnisse Gestalt an, werden zum Bild. Sie will gestalten, sie will Materie umsetzen. Es ist für sie einfach „geil“, etwas erschaffen zu können. Dieses Schaffen ist ein innerer Prozess. Sie findet es faszinierend, aus dem Chaos etwas zu gestalten. Aus dem Rechteck, das die leere Leinwand zunächst einmal ist, ein Bild entstehen zu lassen. Was malt sie, wie malt sie? Sie sucht nicht nach einem Stil, dieser komme aus ihrer Person heraus, meinte sie einmal. „Nur das, was ich erlebe, nur das, was ich wirklich intensiv erlebe, das kann ich weitergeben“, schrieb sie in ihr Tagebuch. „Ich darf mir über meine Wirkung keine Gedanken machen. Wenn ich mir Gedanken mache, wird das Bild schlecht. Ich muss in dem Moment, in dem ich arbeite, so intensiv drin sein, dass ich nur noch mich selber spüre und mich selber höre.“ Sie stürzt sich mitten hinein ins Leben und malt mit einem expressiven Gestus.

Wenn die Stimmung nicht mehr da ist, meint sie, „kann ich auch nicht weitermalen“. Doch wenn das Bild die Stimmung wiedergibt, die sie will, dann ist das Bild für sie auch fertig. „Mehr muss nicht sein.“ Wenn ein Bild vielen möglicherweise als nicht ganz fertig erscheint, interessiert sie dies nicht so sehr. Sie fasziniert die Bewegung, die Beziehung von Menschen zueinander im Raum. Wenn diese Idee wiedergegeben ist, hört sie auf. Doch die Stimmung muss zur Form geworden sein. Dann stimmt das Bild. Wenn es so ist, wie sie es sich vorgestellt hat, freut sie sich auch. Wenn sie ein Bild verkauft, schmerzt es ein wenig, und sie hofft, dass die Leute, die es erwerben, „ein Gefühl für die Bilder entwickeln, mit ihnen zu leben“.

Freiheit will sie, Freiheit sucht sie. Die Voraussetzungen hierfür will sie sich immer wieder neu schaffen, trotz des Eingebundenseins in ihrer Familie mit dem Ehemann Veit Utz Bross, der ebenfalls Künstler ist. Deshalb verstehen sie sich gut, respektieren sich und haben Verständnis für die künstlerische Arbeit. Hinzu kommen die beiden Töchter, die natürlich auch Ansprüche an die Mutter stellen. Sie wohnen mitten in der Waiblinger Altstadt in einem ehrwürdigen Gebäude, das nach der Zerstörung der Altstadt im Dreißigjährigen Krieg erbaut wurde, mit einem wunderbaren Blick über Dachlandschaften und den Marktplatz. Ein neugieriger Blick geht auch zur Langen Straße, meistens lebhafter bevölkert als der Marktplatz. Menschen kommen und gehen. Beim Blick nach unten ist gerade ein Rechtsanwalt (Künzel) im Gespräch mit einem Künstler (Hezel). So lebt sie im ständigen Austausch mit Waiblingen.

Freier Künstler

Dabei hat man es als freier Künstler, der nicht von Aufträgen lebt, schon ein wenig schwer. Wenn ein Auftrag vorliegt, weiß man, was zu tun ist. Sonst hat man eben die leere Leinwand vor sich. Es ist wie im „luftleeren Raum“. Man muss sich die Aufgabe selbst stellen. Die Aufgabe kommt irgendwie aus dem Innern, und wenn sie nicht kommt, dann spürt man eben, dass die große Freiheit auch eine Last sein kann. Dann versteht sie auch, warum viele Künstler „versacken“. Doch sie will schaffen, sie ist kommunikativ, sie will Menschen formen. Für sie ist es nur ein halbes Bild, wenn kein Mensch drauf ist.

Dem Aktmalen gehört ihre besondere Leidenschaft. Die Frau als Venus oder Badende zieht sich als Motiv durch die ganze Kunstgeschichte, aber meist von Männern gestaltet. Für Sibylle Bross ist Aktmalen eine Möglichkeit, Menschen zu erschließen.

Natürlich kennt sie den Menschen mittlerweile so gut, dass sie auch aus dem Kopf Akte malen könnte. Aber sie hat lieber Modelle vor sich. Das Körpergefühl will sie spüren, die Atmosphäre. Sie will das Licht studieren, wie es sich auf dem Körper spiegelt. Im Frauenakt geht es ihr meist um die Würde der Frau als Frau in ihrer Weiblichkeit. Sie sagt: „Meine Akte sind eine Hommage an die Sinnlichkeit, wobei ich hartnäckig gegen bestehende Schönheitsideale ankämpfe. Es ist die Lust am Körper nicht im Sinne von Darbietung, sondern die Freude am eigenen Körper. Dabei ist mein eigenes Körpergefühl wichtig und das Körpergefühl der Frau, die ich male.“ Sie stellt häufig fest, dass „sowohl Modell wie auch Maler einen Prozess durchmachen“. Ihre Modelle sind keine Models. Diese wollen ihren Körper als Imageträger zu Markte tragen und zum Kult der Maske beitragen. Sie sucht Modelle, die gut „in sich ruhen“ und eine starke körperliche Präsenz haben. Die Atmosphäre inspiriert sie. Sie will „keinen Strich ohne das Modell machen“. „Ich bin freier, wenn ich etwas vor mir habe. Ich bin ein Mensch, und der braucht auch noch andere Menschen. Das Malen mit Modell ist für mich eine schöne Möglichkeit, mit anderen zu arbeiten.“ Sie ist auch überzeugt, das Modell sei im Grunde genommen im Vorteil gegenüber dem Zeichner. Dieses ruhe in sich, während der Maler immer Risiko laufe, sich bloßzustellen. Der Künstler sei eigentlich der Verletzlichere, weil sein Produkt nachher betrachtet, beurteilt, gelobt oder kritisiert wird.

Sibylle Bross‘ Interessen sind breit gefächert und vielfältig. So wirkt sie seit sechs Jahren an der Kunstschule Unteres Remstal mit. Sie ist Leiterin einer Malklasse. Für sie ein schöner Ausgleich zu ihrer meist einsamen Arbeit im Atelier. Aber sie engagiert sich auch im Rahmen der Partnerschaft des Vereins Bildender Künstler Rems-Murr-Kreis mit der entsprechenden Künstlervereinigung des Landkreises Meißen. Daraus haben sich schon viele Kontakte zwischen den Künstlern ergeben. Sie bringt sich verlässlich ein, ist häufig Gastgeberin und hat mehrfach im Landkreis Meißen ausgestellt. Sie ist auch immer wieder bereit, neugierig Neues zu wagen. Nach Abschluss der Kreispartnerschaft des Rems-Murr-Kreises mit dem Landkreis Meißen und den ersten Kontakten mit der Porzellanmanufaktur in Meißen hatte ich die Idee, ob es nicht möglich sein könnte, dass auch einmal ein Künstler aus dem Rems-Murr-Kreis die Chance hätte, die Arbeit mit Porzellan zu wagen. Der Geschäftsführer der Porzellanmanufaktur Dr. Hannes Walther war dafür sehr aufgeschlossen, und auch die Kreissparkasse Waiblingen war bereit, dieses Vorhaben zu sponsern und das so entstandene Kunstwerk als Dauerleihgabe für einen wohltätigen Zweck, in diesem Fall für den Kreisverein des Deutschen Roten Kreuzes, zur Verfügung zu stellen. Heraus kam ein Werk aus vier Porzellanplatten über „Helfen und Trösten zwischen Geburt und Tod“, das nunmehr den Eingangsbereich der DRK-Kreisgeschäftsstelle ziert. Für Sibylle Bross war dies mit mehreren Aufenthalten in Meißen und der Porzellanmanufaktur verbunden. Ihr Entwurf mit Acrylfarben auf weiß grundiertem Holz wurde zunächst in Teilen auf Porzellanplatten in Unterglasur übertragen. Doch die gewählten Farben, das typische Kobaltblau, entwickeln sich erst durch das Brennen bei 1450 Grad Celcius. Für sie eine ganz neue Erfahrung. Danach hat sie persönlich vor Ort in „Aufglasur“ mit den letzten Details das Bild vollendet.

Malen ist für sie wie eine Geburt. „Es ist unvorhersehbar, wie ein Bild wird – es fängt aus der Farbe heraus an – ich lasse Menschen entstehen, und wenn sie mir nicht gefallen, verschwinden sie mit der Farbe eben auch wieder.“ Dies alles fasziniert sie, und dann kommt es über ihre Lippen, dieses Gestalten und Formen sei schon „ein wenig gottähnlich“.